JÖrn Großhans
Ehrenfilmpreisträger 2014
Visual Effects Supervisor
Der zweifache Emmy-Preisträger Jörn Großhans (*1980) von der Stuttgarter Produktionsfirma Mackevision Medien Design wird mit dem Baden-Württembergischen Ehrenfilmpreis 2014 ausgezeichnet. Mit ihm wird eine Persönlichkeit aus der Kreativbranche der Landeshauptstadt geehrt, die mit dazu beigetragen hat, dass der Standort Südwest auch in Hollywood als eine sehr gute Adresse für Spezialeffekte gilt.
Jörn Großhans, der bereits 2006 als Absolvent der Hochschule der Medien in Stuttgart seine ersten Filmlorbeeren auf der Filmschau Baden-Württemberg für seinen animierten Abschlussfilm `Video 3000′ erntete, holte 2014 in Los Angeles zum zweiten mal einen Emmy-Preis für Creative Arts. Den weltweit renommierten Fernseh-Oscar für ‚Outstanding Special Visual Effects’ erhielt der in Germersheim in Rheinland-Pfalz geborene VFX Supervisor für seine visuellen, computeranimierten Effekte in der vierten Staffel der amerikanischen Kult-Fantasyserie ‚Game of Thrones’. Auch für die Arbeit an der dritten Staffel der TV-Serie räumten Jör n Großhans und sein Team 2013 eine Emmy-Trophäe ab. Die Preise gelten nach dem Oscar als höchste Auszeichnung für herausragende Leistungen und werden von der Academy of Television Arts & Sciences vergeben.
2011 zeichnete die Academy of Motion Picture Arts and Sciences in Los Angeles das Team von Pixomondo mit dem Academy Award (Oscar) für Beste visuelle Effekte in Martin Scorseses 3D-Spielfilm ‚Hugo Cabret’ aus. Jörn Großhans war zu jener Zeit für die in Stuttgart bei Pixomondo entstandenen Filmtricks federführend zuständig.
"Meine Leidenschaft gehört dem Spiel mit Licht, Formen und Material"
Ehrenpreisträger Jörn Großhans im Gespräch mit Hans-Peter Jahn für den Katalog zur 20. Filmschau Baden-Württemberg 2014
Zweimal Emmy-Verleihung in Los Angeles, zweimal Ehrungen auf der Filmschau Baden-Württemberg in Stuttgart – wie erlebte Jörn Großhans diese großen Momente?
Jörn Großhans: Eigentlich bin ich eher cool, aber solche Ehrungen lassen einen nicht kalt. Bei der ersten Emmy-Verleihung in Los Angeles kann ich mich tatsächlich ab der Bekanntgabe des Gewinners an nichts mehr erinnern. Da war plötzlich ein Euphorie-Push. Wie im Traum ging ich mit unseren Repräsentanten auf die Bühne hoch. Beim zweiten Mal konnte ich das alles viel mehr genießen. Und dann war ich doch wieder überrascht, denn es ist unüblich, dass jemand zweimal hintereinander gewinnt. Du sitzt im Publikum dieser vierstündigen Veranstaltung und plötzlich wird dein Name aufgerufen: And the Emmy goes to the Team of ‚Game of Thrones’. Den Dank sprach natürlich der Kunde, der Repräsentant von HBO. Die vom US-Kabelsender mit Sitz in New York produzierten Drama-Serien gelten weltweit als stilprägend. Und ‚Game of Thrones’ ist die erfolgreichste HBO-Produktion. Besonders dankbar bin ich, dass HBO mir und Heiko Burkardsmaier auch nach dem beruflichen Wechsel von Pixomondo zu Mackevision vertraute. Inzwischen werden von uns in Stuttgart schon die Visual Effects für die neue Staffel von ‚Game of Thrones’ vorbereitet. Den Creative-Arts-Emmy holte ich zweimal persönlich in Hollywood ab und bin nun auch stimmberechtigtes Mitglied der Academy of Television Arts & Sciences. Den Oscar für ‚Hugo’ erlebte ich via Fernseher in Stuttgart. Diese Auszeichnung ging direkt an meinen damaligen Arbeitgeber Pixomondo. Der Jubel im Winning-Team zuhause war überwältigend.
Der stolze Preisregen begann doch eigentlich schon vor acht Jahren in Stuttgart?
Jörn Großhans: Ja, 2006 bekam ich gemeinsam mit Marc Schleiss für meinen Abschlussfilm ‚Video 3000’ auf der Filmschau Baden-Württemberg den Preis für den Besten Animationsfilm. Der erste Filmpreis ist immer ein ganz besonderes Erlebnis. Und nun ehrt mich das Filmbüro Baden-Württemberg mit dem diesjährigen Baden-Württembergischen Ehrenfilmpreis. Das ist ein Preis für die ganze Animationsbranche in Baden-Württemberg und – wie schon beim Emmy – für das ganze Team. Etwa 40 bis 50 Mitarbeiter haben die computeranimierten Effekte gemeinsam geschaffen. Alle Preise – ob Oscar, Emmy oder Baden-Württembergischer Ehrenfilmpreis – stärken den Ruf des Standorts Südwest als eine sehr gute Adresse für Spezialeffekte.
Stuttgarts Oberbürgermeister Fritz Kuhn sagte bei seinem Besuch der Firma Mackevision, nach dem zweitem Emmy an Jörn Großhans, die Kreativbranche, insbesondere im computeranimierten Film sei eine der großen Zukunftsbranchen der Stadt. Auch Nils Schmid, der Finanz- und Wirtschaftsminister in Baden-Württemberg, sieht den Standort weiter im Aufwind. Lob und Anerkennung auch von Kulturstaatssekretär Jürgen Walter: „Mit dieser Auszeichnung – zu der ich das Team von Mackevision ganz herzlich beglückwünsche – wird erneut eindrücklich belegt, dass Baden-Württemberg im Bereich Visuelle Effekte und Animation zwischenzeitlich ein weltweit beachteter Standort ist.“
MFG-Geschäftsführer Prof. Carl Bergengruen betonte: „Für die Spezialisten von Mackevision und für Baden-Württemberg ist das eine Anerkennung auf höchstem internationalem Niveau! Sie bestärkt uns darin, unsere Förderaktivitäten in diesem Bereich weiter auszubauen.”
War VFX Supervisor immer schon Dein Berufswunsch?
Jörn Großhans: Eigentlich war der klassische Animationsfilm mein Ziel. Von 2002 bis 2006 studierte ich an der Hochschule der Medien Stuttgart Audiovisuelle Medien. Und da fand ich während eines Praxissemesters plötzlich die visuellen Effekte viel spannender. Mich beschäftigte die Frage: Was lässt ein Bild echt aussehen? Ab diesem Zeitpunkt gehörte meine Leidenschaft dem Spiel mit Licht, Formen und Material.
Welche künstlerischen Freiheiten gewährt Dir HBO für die Arbeit an ‚Game of Throne’?
Jörn Großhans: Jeder Kundenauftrag beginnt mit einem Briefing, was erwünscht ist. Ist beim Spielfilm der Regisseur das Nonplusultra, so hat bei Serien der Executive Producer das letzte Wort in Sachen kreativer Leistung. Wir besprechen, wo digitale Landschaften animiert werden müssen und meist hat der Executive Producer bereits ein ganz konkretes Bild im Kopf. Im ersten Schritt suchen und sichten wir ganz viele reale Landschaftsbilder. Nach der Bildrecherche prüfen wir, welche Landschaft, welche Architektur in die vorgegebene Epoche und Stimmung am ehesten passt. Großes Vertrauen zwischen Kunden und VFX Supervisor ist eine wichtige Voraussetzung für diese Arbeitsprozesse; schließlich muss man die gleichen Visionen teilen. In kurzen Abständen werden die Ergebnisse dem Kunden vorgelegt.
Zu Deinen ersten großen Spielfilmerfahrungen gehört die Zusammenarbeit mit Roman Polanski. Ein schwieriger Regisseur?
Jörn Großhans: Das erste große Wow war tatsächlich 2010 die Zusammenarbeit mit Roman Polanski für seinen Spielfilm ‚Der Ghostwriter’. Es war eine verrückte Zeit. Polanski war 2009 bei seiner Einreise in die Schweiz aufgrund eines internationalen Haftbefehls festgenommen worden. Er kam ins Gefängnis und es war nur noch Kommunikation via E-Mails möglich. Die Effekte für ‚Der Ghostwriter’ waren eigentlich nicht so spektakulär, aber für mich war es ein cooler Job.
Neben der neuen Staffel von ‚Game of Thrones’ hast Du momentan zwei große Filmproduktionen auf dem Schirm. Welche sind das?
Jörn Großhans: Für ‚Elser’ von Oliver Hirschbiegel über den Hitler-Attentäter rekonstruieren wir am Computer München Anno 1939 und den damaligen Bürgerbräukeller. Der Spielfilm nach dem Drehbuch von Fred Breinersdorfer und Leonie-Claire Breinersdorfer soll auf der Berlinale laufen und 2015 in die Kinos kommen. Am Set wurden für eine Szene im Bürgerbräukeller nur zwei Wände real aufgebaut, den Rest vervollständigen wir mit dem Computer. Und aus 120 Statisten machen wir viel mehr Zuhörer. Für das RTL-Eventmovie ‚Witwenmacher’ über den Starfighter-Skandal bauen wir die Kampfflugzeuge am Computer nach und kreieren auch Flugszenen.
Du hast als Freelancer Deinen beruflichen Werdegang begonnen. Hat sich mittlerweile die Situation für Freiberufler in der Animationsbranche verbessert?
Jörn Großhans: Im Spätsommer ist die Situation für Freelancer etwas angespannt. Das hängt mit den vielen Außendrehs im Sommer zusammen. Erst danach kommt das Filmmaterial zu uns und wir können mit unserer Arbeit beginnen. Bei Mackevision gibt es ein Kernteam mit 20 Leadartists. Jeder ist in seinem Spezialgebiet unheimlich gut. Unsere Freelancer kommen aus der Region. Es sind meist Absolventen der Filmakademie oder der Hochschule der Medien, die viel Können und Erfahrung mitbringen. Mein Job ist es, alle und alles so zusammenzubringen, dass alle gut zusammenarbeiten und alles gut aussieht.
Bei Dir landen die großen Filmstoffe, bevor sie zum Publikum kommen. Wohin entwickeln sich Fernsehen und Kino aus Deiner Sicht?
Jörn Großhans: Die Grenzen zwischen Kino und Fernsehen verwischen immer mehr. Die Messlatte liegt für deutsche Produktionen momentan sehr hoch. Trendsetter wie ‚Game of Thrones’ überzeugen das Publikum nicht allein wegen der visuellen Effekte. Alles hat Qualität. Jede Folge wird wie ein großer Kinospielfilm hergestellt. In Deutschland fehlt immer noch der Mut zum Außergewöhnlichen, zum Beispiel für eine Fantasyserie. Zum anderen haben die amerikanischen Serien ein viel größeres Budget, es entstehen weltweite Projekte, die viel mehr Zuschauer erreichen.
Kannst Du als Kinogänger überhaupt noch privat abschalten und sitzt Du auch zuhause vor dem Computer?
Jörn Großhans: Leider kann ich im Kino beruflich nicht ganz abschalten. Natürlich schaue ich mir an, was die anderen gemacht haben und wie sie das gemacht haben. Meine eigenen Projekte sehe ich mir erst dann wieder an, wenn ich einen emotionalen Abstand zu ihnen habe. Wirklich entspanne ich bei ruhigen Filmen ohne visuelle Effekte. Zuhause ist der Computer kaum an. In meiner Freizeit jogge und wandere ich in der Natur, etwa auf der Waldau oder am Bärensee.