Felix Huby †
Ehrenfilmpreisträger 2016
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Wir trauern um Felix Huby
Das Filmbüro Baden-Württemberg trauert um Felix Huby, Ehrenmitglied und Preisträger des Baden-Württembergischen Ehrenfilmpreises 2016. Kommissar Bienzles Schöpfer starb Ende August im Alter von 83 Jahren.
„Als TV-Drehbuchautor hat er bundesweit die Menschen aus dem Südwesten zu Serienhelden gemacht und mit seinen Krimis und Familiengeschichten aus Baden-Württemberg Top-Quoten erzielt“, begründete das Filmbüro die Verleihung des Ehrenfilmpreises an Huby. Als Bestsellerautor hat er seit 1976 die Bücherregale seiner treuen Lesergemeinde mit Kriminalromanen, Sach- und Kinderbüchern gefüllt. Seine Bienzle-Romane haben bis heute eine Auflage von über 850.000 Exemplaren erreicht. 2014 erschien im Verlag Klöpfer und Meyer sein Roman `Heimatjahre´, der zu einem Erfolg wurde. Es folgten `Lehrjahre´ und `Spiegeljahre´.
Die Schauplätze von Hubys Romanen lagen fast immer in seiner schwäbischen Heimat. Den Landesbezug pflegte er auch nach seinem Umzug nach Berlin. Der Name Felix Huby wurde zum Gütesiegel für TV-Erfolge, die gleichzeitig mehrere Generationen ansprechen.
Felix Huby, als Eberhard Hungerbühler am 21. Dezember 1938 in Dettenhausen geboren, war in allen Bereichen des Autorenberufs zuhause. Bis 1979 war er als Journalist tätig, dann Redakteur (zuletzt beim ‚Spiegel’). Er arbeitete als Werbetexter, schrieb Hörspiele sowie fürs Theater acht Bühnenstücke, beispielsweise den ‚Schwabenblues’ und ‚Georg Elser – Allein gegen Hitler’.
1981 wurde sein erster Fernsehfilm ausgestrahlt: ‚Der Grenzgänger’, einer von zwei Pilotfilmen der Schimanski-Reihe. Auf sein Konto gehen die Tatort-Kommissare Bienzle und Palu, der kauzige Kommissar Köberle, Rosa Roth (gespielt von Iris Berben), die ‚Zwei Brüder’ Fritz und Elmar Wepper als Kriminalhauptkommissar und Oberstaatsanwalt, der Berliner Fahnder Peter Heiland, der Duisburger Privatdetektiv Stepanek (gespielt von Klaus Löwitsch), Detektivin Mona M. (gespielt von Simone Thomalla) und viele mehr. Zudem schrieb Huby insgesamt 33 Tatort-Folgen.
Mit Herz und hintersinnigen Worten eroberten seine Serienhelden das Publikum im Sturm. ‚Der Eugen’, ‚Oh Gott, Herr Pfarrer’, ‚Der König von Bärenbach’, ‚Oppen und Ehrlich’, ‚Ein Bayer auf Rügen’ und ‚Abenteuer Airport’ sind die wohl bekanntesten Produktionen. Egal, wo seine Figuren Schicksalsschläge und Abenteuer erlebten, stets steckt hinter der Marke Felix Huby die Frage: Sind wir nicht alle ein bisschen schwäbisch?
"Man muss im Autorenberuf vielseitig sein"
Ehrenpreisträger Felix Huby im Gespräch mit Hans-Peter Jahn für den Katalog zur 22. Filmschau Baden-Württemberg 2016
Wie viel Schwäbisches verträgt die Nation?
Felix Huby: Nicht so viel wie es sich die Bayern im Fernsehen zutrauen. Unser schwäbischer Dialekt ist nicht so beliebt wie der bayerische oder der österreichische. In meiner 1988 entstandenen Serie ‚Oh Gott, Herr Pfarrer’ und in den ‚Tatort’-Folgen mit Kommissar Bienzle habe ich genau den Maßstab angewandt, den man meiner Ansicht nach Nicht-Schwaben zumuten kann. Beide Serien waren auch außerhalb Württembergs sehr beliebt und erfolgreich. Ich habe ja auch Filme und Serien geschrieben, in denen andere Dialekte vorkamen. Das geht nur, wenn man als Autor in seine Recherche immer auch die Mentalität und die Sprache der Menschen einbezieht. Im Grunde genommen muss man das einatmen; dann kann man damit auch umgehen. ‚Ein Bayer auf Rügen’ verlangte bayerischen und pommerischen Dialekt. Beim Hamburger ‚Großstadtrevier’ war Hauptdarsteller Jan Fedder immer ganz pingelig. Stand im Dialog das schwäbische ‚bloß’ statt ‚nur’, war er schon außer sich.
Für einen ‚Tatort’-Kommissar haben sie die damalige ‚political correctness’ auf den Kopf gestellt. Wie war das mit Schimanski?
Felix Huby: Ich bin nicht der Vater des legendären ‚Tatort’-Kommissars Schimanski. Aber ich gehörte zum Team, das die beiden Schimanski-Pilotfolgen entwickelt und geschrieben hat. Der Einfluss von Götz George auf diese neue Rolle war sehr stark. Mir war bewusst, dass wir genau das Gegenbild zum WDR-Vorgänger Kommissar Haferkamp schaffen mussten, der damals von Hansjörg Felmy gespielt wurde. Mit Götz George war ich sehr eng verbunden. Sogar einen Schimanski-Roman haben wir gemeinsam geschrieben.
Frühere TV-Stars wie Inge Meysel als Mutter der Nation oder Ihr Protagonist aus ‚Oh Gott, Herr Pfarrer’ wirkten auf die Fernsehnation wie Medizin. Wie müsste ein heutiger Serienheld geschaffen sein, um in der gespaltenen Gesellschaft versöhnliche Töne anzustimmen?
Felix Huby: Ich glaube nicht, dass so etwas in der heutigen Mediengesellschaft funktionieren würde. ‚Oh Gott, Herr Pfarrer’ war ein Straßenfeger, auch und besonders in der damaligen DDR. Die Serie wurde gesendet in der aufgeregten Zeit nach der RAF. Die Leute suchten eine gewisse Geborgenheit, aber auch einen Sinn für ihr Leben. Und man darf nicht vergessen: Damals gab es nur zwei Fernsehsender.
Kann ein Autor solch eine Stimmung in der Gesellschaft schon früh erahnen? Schließlich ist der Weg von der ersten Idee bis zum Sendetermin sehr lang und seine Geschichte muss zur richtigen Zeit dem Zuschauer erzählt werden.
Felix Huby: Ganz ehrlich gesagt, die Anfänge des gegenwärtigen Rechtsrucks mit Pegida und den ganzen Folgen hätte ich nicht erspürt. Grundsätzlich sollte ein Autor den Beginn einer gesellschaftlichen Veränderung erkennen. Dafür muss er ein Empfinden entwickeln. Wie ich früher mein Gespür entwickelt habe, das kann ich ganz schwer beantworten – das kam einfach so. Ich schreibe nicht mehr für das Fernsehen. Aber wäre es noch der Fall, würde ich eher ein sozialkritisches Thema aufgreifen und zunächst überlegen, wie sich eine verändernde Stimmung auf den Rest der Bevölkerung auswirkt.
In welchem Milieu wäre Ihr heutiger Protagonist angesiedelt?
Felix Huby: Da muss ich nicht lange suchen. In meiner Umgebung habe ich mitbekommen, wie einem 60-Jährigen, der immer eine außerordentlich gute Arbeit gemacht hat, plötzlich gekündigt wurde. Im Rahmen von Einsparungen wurde er einfach auf die Straße gesetzt. Oder die Geschichte der Leiharbeiter, die kurz vor der Übernahmefrist entlassen werden. Oder die Unterteilung von Großunternehmen in kleine Einheiten, damit sie keine Betriebsräte brauchen. Dieser ganze soziale Zündstoff, der im Augenblick den Menschen glauben lässt, die Wirtschaft dominiere die Politik, das wären heute Themen für mich.
Gab es in all den Jahren für den Autor Felix Huby einen Realitätsschock?
Felix Huby: Für ‚Bienzle und der Mord im Park’ recherchierte ich Mitte der 1990er Jahre, um möglichst authentisch schreiben zu können, gemeinsam mit Dietz-Werner Steck im Milieu der Nichtsesshaften, damals nannte man sie noch Penner, heute heißen sie Wohnsitzlosen, also unter Leuten, die im Park Platte gemacht habe. Anfangs malt man sich vieles mit Fantasie aus und romantisiert auch. Dann begegneten wir einer Frau, die nach dem Tod ihres Mannes sozial abgestürzt und nicht mehr auf die Füße gekommen ist. Der Ehemann hatte ihr seine Arbeitslosigkeit verheimlicht. Er ist tagsüber als Zuhörer in Gerichtssäle gegangen und kam anschließend wie von der Arbeit nachhause. Eines Tages gestand er ihr: Ich habe schon lange keine Arbeit mehr, wir sind pleite. Danach erhängte er sich auf dem Dachboden. Das Schicksal dieser Frau war für mich ein Realitätsschock. Ich habe solch eine Frauenfigur in diesen ‚Tatort’ eingebaut und die Worte der Frau 1 : 1 in die Dialoge übernommen.
Erstmals erhält ein Autor den Baden-Württembergischen Ehrenfilmpreis. Welchen Rat geben Sie Ihren jüngeren Kollegen?
Felix Huby: Ein Autor muss möglichst multimedial arbeiten. Manche Stoffe können mehrfach genutzt werden – als Roman, Drehbuch, Theaterstück und Hörspiel. Neulich habe ich für ein Projekt des Stuttgarter Theaterhauses erstmals die Welt der Blogger kennengelernt. Fünf Autoren aus verschiedenen Ländern erklärten mit eigenen Worten den Begriff Heimat. Aus den Blogger-Beiträgen im Internet machte das Theaterhaus ein Bühnenstück. Man muss im Autorenberuf vielseitig sein, dann hat man größere Chancen. In meiner Zeit als Dozent für Drehbuch habe ich an Hochschulen und Universitäten viele talentierte Studenten unterrichtet. Irgendwann bin ich erschrocken, weil mir klargeworden ist, dass nicht alle als Autor ihr Auskommen finden werden.
Welche beruflichen Begegnungen waren für Sie besonders wertvoll?
Felix Huby: Natürlich Götz George, aber auch Manfred Krug, der schwer zu nehmen war, aber ganz gut mit mir konnte. Walter Schultheiß und Dietz Werner Steck waren Schauspieler, von denen ich viel profitiert habe. Vom alten Süddeutschen Rundfunk/Südwestfunk und dem heutigen SWR schätzte ich sehr die Zusammenarbeit mit Dr. Reinhard Müller-Freienfels, Werner Sommer und Brigitte Dithard. Gerne erinnere ich mich an den Regisseur Hans-Christoph Blumenberg. Das Theater Lindenhof in Melchingen spielt in meinem Leben eine besondere Rolle und natürlich Friedrich Schirmer, der heutige Intendant der Württembergischen Landesbühne.
Lesungen in Ihrer alten Heimat bestimmen in diesen Wochen Ihren Terminkalender. Worum geht es in Ihrem neuen Roman?
Felix Huby: Nach `Heimatjahre´, der von meiner Kindheit und Jugend handelt, beschreibt der neuer Roman `Lehrjahre´ meine anderthalb Jahre als Lokalredakteur in Blaubeuren. Das Buch erzählt die Geschichte eines jungen, idealistischen Journalisten, der auf eine fest gefügte Stadtgesellschaft trifft, in der die einst Mächtigen, die sich in der Nachkriegszeit wieder zusammengetan haben, erneut das Sagen haben.